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Was vom Pferd (Gelesen 76193 mal)

Über Hund und Katz... und alle anderen Haus und Nutztiere

Moderator: Nina

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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #375 am:

Wegen der Erwachsenen brauchten wir nun allerdings ein zweites Feld. Im ersten Feld direkt hinter der Equipage, normalerweise das Feld der besten Reiter, die alle Sprünge mitnehmen, sollten die Jugendlichen reiten. Weil wir ein zweites Feld hatten, mußten weitere Freiwillige (Feldführer, Piköre, Schlußpiköre) überredet werden. Es nahm kein Ende. Sprünge wurden ganz gestrichen, die Strecke kürzte man uns um die Hälfte.
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Während Birte den Nachwuchs theoretisch auf seinen großen Tag vorbereitete, sammelten wir anderen Krankenschwestern, Flüstertüte, Bläser (auch sie mußten kostenlos auftreten) und Plakate zusammen, Tierarzt, DRK, Schmied (alle ohne Bezahlung) für alle Fälle, Holz fürs Halalifeuer… Und Steine auf den Galoppstrecken! Gustav Schumann, der quasi im Alleingang das örtliche Reitwegenetz geschaffen hatte, kamen wir nämlich wie gerufen; die Reitwege in der näheren Umgebung mußten sowieso dringend mal wieder instandgesetzt werden, meinte Schumi. Wir hatten eine sehr schlechte Verhandlungsposition, zumal wir ihn als Feldführer brauchten.
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Wir fluchten. Das hatte uns gerade noch gefehlt! „Sollten wir aber machen“, überlegte Anne, sich wie immer schnell ins Unausweichliche fügend. „Stellt euch mal vor, ein Kindlein stolpert über ein Steinlein. Und bricht sich ein Beinlein. Das kann zwar immer passieren, aber wenn das uns passiert, werden wir geteert und gefedert.“ Da hatte sie allerdings recht – wir würden als Kindermörder in die Dorfannalen eingehen. Also auch das noch.
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Zu meinem Erstaunen hatte sich zu diesem Arbeitsdienst, der uns einen Urlaubstag kostete, tatsächlich sogar der Hauptmann eingefunden! Er verschwand allerdings wieder, nachdem er eine aufmunternde, nicht allzu schwungvolle Rede gehalten und einen symbolischen, nicht allzu großen Stein aufgehoben hatte.
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Gottseidank hatten sofort viele Helfer zugesagt – als erster natürlich wieder einmal Hermann Ay. Ich hatte ewig auf ihn eingeredet, ich hob alle Vorteile hervor, die sich aus dieser Jagd für alle ergeben würden, ich sprach um der Kindlein willen, ach, ich war in meinen eigenen Überredungskünsten so verfangen, daß ich völlig verdutzt war, als Manni etwas lauter sagte: „Ja! Ich hab’ doch sofort Ja gesagt! Ich sag’ schon seit einer halben Stunde Ja!“
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Aber noch am Freitag war uns nicht so recht klar, wer am Tage X nun letztlich was übernehmen sollte. Unverzichtbar in dieser Phase wieder mal Anne, die nicht nur das Problem mit der Erbsensuppe, dem Kuchen und allem anderen Eß- und Trinkbaren hervorragend gelöst hatte, sondern deren nicht unwichtigste Aufgabe darin bestand, uns andere davon abzuhalten, einander an die Gurgel zu gehen.
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Zwar mit flatternden Nerven, aber doch zumindest äußerlich unverletzt, überlebten wir tatsächlich bis zum Stelldichein. Und siehe da, wir hatten das allerbeste Jagdwetter! Feucht und neblig, wie es sein sollte, perfekt. Geschlafen hatten wir wenig; nachts hatten wir noch die Brüche basteln müssen. Gar nicht so einfach war es gewesen, halbwegs ansehnliche Eichenblätter zu finden. Die Eichenwickler waren in diesem Jahr kräftig an der Arbeit gewesen. Außerdem hinderte uns die Aufregung am Schlummern, ohne Ausnahme.
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #376 am:

Und die übertrug sich am großen Tag natürlich auf die Pferde – ich denke, sie sahen schon an unserer Körperhaltung, daß etwas außergewöhnliches bevorstand! Für die Strecke von unserem Stall zu den Reithallen und zur Mainwiese, sonst knapp 20 Minuten, brauchten wir diesmal keine 15. Pferde nehmen sich auf sehr große Entfernungen wahr, und Ti und Turi waren schon auf halber Strecke am Prusten und Schnauben. Pferde waren dort, wo wir hingingen, ja immer, aber heute waren es aufgeregte Pferde! Da wartet man nicht, bis man genau weiß, was los ist, da tanzt man gleich mit! Schon die Mainfähre, an der sie fast jeden Tag vorbeikamen, fanden beide heute überaus aufregend.
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Auf der großen Wiese waren fast alle Mitreiter schon versammelt. Frank gesellte sich ihnen zu; ich hielt mich zu Tis ganz großem Mißvergnügen etwas abseits, weil ich ja nicht im Feld, sondern, gruselgrusel, vor allen reiten mußte. Drüben schien es irgendeine Unstimmigkeit zu geben: Es waren aber nur noch einige Diskussionen bezüglich der selbstgenähten Armbinden zu führen – Gustav als Feldführer der Erwachsenen wollte sich partout nicht mit Grün anfreunden, während Birte vom ersten Feld, die es besser wußte als Schumann, mürrisch die versehentlich angebotene rote des Schlußpikörs in Empfang nahm, aber auch das wurde noch geregelt. Birte ritt heute Wilander, das Paradepferd von van Krachtens Gattin. Den hatte sie in Beritt, aber dressurmäßig… So ein Getümmel wie das hier war der Willi nicht gewohnt. Auch bei dieser Jagd würde Birte einiges zu tun haben.
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Die Reiter sortierten sich in zwei Felder und kreiselten zum Warmwerden. Ti wollte zu seinen Kumpels, aber da gehörte er ja heute nicht hin. Das Fette Pony wollte drum kaum stillstehen. Er fühlte sich deswegen sehr ungerecht behandelt!
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Vom dreihundert Meter entfernten Springplatz her kam durch den Nebel langsam und gänsehauterregend die Equipage - Beagles, Pferde, rotweiß, versammelt und voller Spannung, ein eindrucksvolles Bild. Ich hatte nur Augen für die Meute. Doch da stieg mein Chefredakteur von Speichenrieders wunderschöner, sehr dezent geschmückter Prunkkutsche. Er trug einen grauen Lodenmantel und am Ärmel die weiß-schwarz-weiße Jagdherren-Armbinde (oh, wir trugen dick auf, wir ließen nichts aus!); auch seine Frau war in Loden gekleidet, und zwar in Rot, sah nett aus, man hatte sie im Laden gut beraten. Todsicher Frankonia, todsicher sehr teuer, ich gönnte ihm die Ausgabe sehr.
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Ich hatte übrigens eben eigentlich weiß Gott was anderes im Kopf als meinen Chefredakteur! Aber nein, er mußte natürlich zu mir kommen. Auch noch zusammen mit van Krachten.
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Seine Majestät geruhten tatsächlich das tadellose Aussehen meines Pferdes zu loben! Dieser alberne Heini, als ob das nicht immer tadellos aussah! Ich war sogar nochmal mit einem feuchten Tuch drübergegangen, um die letzten Stäublein aufzunehmen, denn als Offenstall-Pferd brauchte er seine schützenden Hautschuppen ja, zu sehr durfte man da nicht putzen, da mußte man tricksen. Und der Chefredakteur fühlte sich, um Heldenmut zu beweisen, natürlich bemüßigt, den darob zu Recht sehr verärgerten Ti kräftig auf seinen glänzenden Hintern zu klatschen, worauf die beiden Herren in ihrem feinen Zwirn leiderleider in einer Staubwolke standen.
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Mir fiel nichts zu sagen ein. Der Master kam auf mich zu!
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„Guten Morgen!“ grüßte der, und als ich ihn nur anlächelte, mir mit der Hetzpeitsche auf die Schulter klopfend, nochmals: „Guten Morgen!“ Er war schon fünf Meter weit weg, als mir einfiel, dass ich korrekterweise hätte „Guten Morgen, Master!“ antworten müssen, auch, wenn es schon auf Mittag zuging. Sogar am Nachmittag hätte ich ihn so grüßen müssen. Es ist mir heute noch peinlich, Jahrzehnte später.
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #377 am:

Schon längst hätten Signale ertönen müssen. Die Bläser! Wo in Dreiteufelsnamen waren die Bläser!!!!?? "Bläser“ formte ich lautlos mit den Lippen und sah Elvira dabei mit einem gleich-stirbst-du-Blick an. „Ich hab’ schon zweimal telefoniert“, flüsterte die hilflos. Wie sich später herausstellte, waren sie auf dem wegen der Jagd heute menschenleeren Gutshof herumgeirrt, bis ihnen endlich eine hilfreiche Seele den Weg zu den Reithallen und zum Fluß gewiesen hatte. Sie wollten sich heute allerdings noch mehrmals verlaufen.
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Acht Kutschen – acht! - und unzählbare Reiter hatten sich eingefunden - die Schätzungen schwankten zwischen zwanzig und sechzig; nach dem Jagdbuch müssen es 38 gewesen sein, wenn sich alle eingetragen haben. Unter ihnen war zu meiner Überraschung auch die bekannte Distanzreiterin Gebauer von „dribbdebach“ (der anderen Mainseite) mit einigen ihrer Norwegerkinder, was mich ganz besonders freute. Ich kannte sie vom Berittführerlehrgang. Sie lobte unsere Idee so, daß mir ganz warm uns Herz wurde.
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Ein Gewusel von Zuschauern, Sekt, Begrüßung, der Chefredakteur hielt seine Ansprache, eine sehr nette, wurde mir hinterher berichtet (vermutlich von der Sekretärin entworfen) – ich hörte sie allerdings nicht, denn die Flüstertüte war seltsamerweise verschwunden. Trotz fieberhafter Suche war die Tröte nicht wieder aufgetaucht, so daß Alts „Gute Jagd!“ leider ziemlich schwindsüchtig zu mir herüberwehte.
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Halleluja, die Bläser! Sie kamen im Schweinsgalopp und etwas außer Atem von der Reithalle her, nahmen Aufstellung, tuteten das Signal „Aufbruch zur Jagd“: tatamtataaa, tatamtataaa, tatamtuuuuuuuuuu!, zweimal wiederholt - los ging’s!
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Das heißt, los ging die Equipage... Die Schleppenbegleiterin, also ich, war leider kalt erwischt worden. Da ich respektvollen Abstand zur Equipage mit den wuselnden Hunden hielt, hatte ich das Kommando „Schleppe ab!“ nicht gehört. Allerdings hatten auch die Feldführer vergessen, daß sie nicht nur zu führen, sondern auch zu folgen haben, der Equipage nämlich. Sie standen halt alle noch so rum. Als ich im kurzen Galopp zum Schleppenleger aufschloß, hörte ich den Master gutmütig sagen: „Kehren wir halt noch mal um!“ Den beiden Feldern entgegen, wieder kehrt. Aber nun ging’s wirklich los!

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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #378 am:

Die erste Schleppe, der erste Galopp über die taufrischen Mainwiesen! Tignous zischte ab wie mit Düsenantrieb, aber ich bekam ihn zum Glück gleich wieder in die Hand. Er hatte zwar die Ohren mißtrauisch zurückgelegt und war wild entschlossen, sich von diesen Pferdefresser-Kötern hinter ihm nicht fangen zu lassen, aber der gleichmütige Schimmel des Schleppenlegers gab ihm doch etwas Sicherheit, und ich konnte ihn gut kontrollieren.
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Und jetzt kam Schwung in die Sache. Auf dem kürzeren Asphaltweg neben der Wiese überholten uns im Trab die Kutschen. Und ich traute Augen und Ohren nicht, als ich Klaus Obermanns Zweispänner erblickte. Auf dem hatte, neben dem hessischen Verbandsvorsitzenden – jawohl, der HRFV hatte seinen Vorsitzenden geschickt! - unser früherer Betriebsleiter Siegfried Wolf Platz gefunden, der stets unterkühlte, beherrschte, trockene und ironische Wolf, der Halbgott, vor dem wir jüngeren alle in Ehrfurcht erstarben. Es muß die in langen Jahren des aus Versicherungsgründen pianissimo-Faschingsreitens im Stalle van Krachten angestaute Bewegungsfrustration gewesen sein, die sich hier entlud, das, und daß er wieder Bekannte von früher traf: Wolfi war in der Kutsche aufgesprungen; er tanzte auf einem Bein, und ein Urschrei entriß sich ihm, was die Lungen hergaben: „Laß’ - knacken!!!“
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Und wir ließen knacken! Enten erschraken vor Ti und flogen auf, woraufhin Ti vor den Enten erschrak und einen kleinen Haken schlug, wir wurden ein wenig schneller.
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Natürlich nicht annähernd so schnell wie auf Friedrichstann. Und auch nicht lange. In Birtes erstem Feld stimmte was nicht; es muß sie hart angekommen sein, aber sie hielt ihr Feld an (das zweite Feld konnte gerade noch rechtzeitig bremsen): Es war ein Zügel defekt, erster Aufenthalt. Wir vorne merkten es und hielten ebenfalls an. Hilfe in der Not von Bastl, dem Bösen Bäcker (ein grundgütiger Mann, den wir liebten, er hatte uns nur mal erschreckt, als wir noch blutige Anfänger waren). Der Bastl hatte schon viele Jagden und diverse damit verbundene Mißgeschicke hinter sich und in weiser Voraussicht unterm Rock einen Ersatzzügel um den Leib geschlungen. Da wäre ich nie drauf gekommen.
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„Laß’ knacken!“ jubelte es noch einmal hinter mir.
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Nur allzu gern nahm der Walkepaule dies wörtlich. Von der wohligen Wärme der Mitreiter dann auf allen Seiten umgeben, grinste der Schlußpikör des zweiten Feldes (der hinten zu bleiben hatte, als der „Lumpensammler“, aber eben nicht blieb, weil sein Pferd lieber tot als zweiter sein wollte) nur selig: „It’s cool, man!“ Ha, Paul, der erste Kandidat fürs Jagdgericht!
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #379 am:

Nächste Schleppe. Im Jugendfeld die ersten Abgänge, Birte die ersten Anfälle. Zum Glück keine Knochenbrüche oder sowas! Und die Mädels waren tapfer. Die Equipage, von der Meier-Koppel zum Springplatz spähend (Distanz ein guter Kilometer), war etwas ratlos: „Wo reiten sie denn?“ Beide Jagdfelder waren uns erst mal abhandengekommen.
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Nie werde ich den Klang des Rufhorns vergessen – ich hörte es allein an dieser Stelle wohl gute vierzig Mal. Denn auch die Hunde wußten nicht recht, was hier eigentlich los war, sie wollten weiter.
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Doch dann kamen sie, die Jugendlichen. Und wie sie kamen! Hier offenbarte sich der Equipage, warum eine Jugendjagd „Jugendjagd“ heißt: Weil es gilt, die Jugend zu jagen! Da waren nämlich einigen die Pferde durchgegangen.
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Man hatte augenscheinlich die Aufgaben vorher aufgeteilt; Pikör Susanne Budig fing mit einem geradezu blendenden Sliding Stop, der US-Championship würdig, das erste Kind ein, Pikör Peter Kurz stellte sich dem zweiten in den Weg, die anderen kümmerten sich um die Hunde, und Master Stein kümmerte sich um alles, tröstete die zitternden Reiterlein und brachte Ordnung ins Chaos.
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Während sich alles erneut sortierte, zog sich die Equipage hinter ein Gebüsch zurück – es steht zu vermuten, um ungehört fluchen und den Tag beweinen zu können, an dem sie ihre Zusage gegeben hatte.
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Ich selbst hatte mit einem Fetten Pony zu tun, das sich schon als Hundefutter enden sah, aber offensichtlich vorhatte, sein Leben sehr teuer zu verkaufen, und war meinerseits mittlerweile so verwirrt und alle, daß ich fast das Abbiegen zum Campingplatz hinunter vergessen hätte.
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Seitdem werde ich von einem wiederkehrenden Alptraum geplagt: Auf dem schnurgeraden Hauptweg kommen wir so richtig in Schwung, die Jugendlichen vorneweg, entzückte Hunde und schweißbedeckte Equipagenpferde hinterher, gefolgt von Birte, die schreit: „Warum bin ich nicht Verkäuferin im Supermarkt geworden!“, auf Willi, der das alles nicht so richtig einsieht. Dahinter das zweite Feld, angeführt vom Schlußpikör Walkepaule.
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Die Jagdgesellschaft überrennt mühelos mehrere Busse und bricht endlich mit Schmackes durch die Mauern des großen Chemieunternehmens am Wegende. Paul, während von weither „Absitzen“ geblasen wird, selig aus einem dampfenden Kessel schauend: „It’s cool, man!“
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #380 am:

Danach schoß ich alle Bedenken in den Wind und lachte nur noch, es war alles so herrlich absurd. Unten am Main nochmals kurzes Sortieren. Seeberg meldete sich hier ordnungsgemäß und klugerweise bei seinem Feldführer ab – er hätte mit seiner alten Dame, deren Aufregung nicht mehr beherrschbar war, wohl sonst „die Jagd gewonnen“. Die Hunde nutzten die Gelegenheit, sich im Fluß abzukühlen und die Nasen zu befeuchten.
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Die lange Main-Promenade ging es zusammen mit den Kutschen weiter; den vielen Zuschauern – die halbe Stadt war am Mainkai zusammengelaufen - bot sich nun ein wunderschönes Bild, zumal hier, wo nur Schritt geritten werden durfte, auch nichts mehr durcheinandergeriet.
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Oben hingen die Anwohner aus den Fenstern; die Bläser, von der VIP-Betreuungskomitee-Obervorsitzenden Gertrud rechtzeitig irgendwo eingefangen und auf dem Maindamm postiert, jubilierten, die Sonne brach durch, und von der anderen Mainseite schallte der Hörnerklang zurück, daß einem das Herz aufging.
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Für das Fette Pony allerdings war dies der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte – links das Gerassel der Kutschen und die Bläser, rechts das Echo, hinter ihm die Meute! Zirkusreif galoppierte er fast auf der Stelle; in weißen Schwaden saß ihm der Schweiß auf dem Fell. Künftig: Baldrian und Vetranquil, nahm ich mir vor! „Der is‘ uffgereescht, grad wie sei‘ Herrin!“ rief Speichenrieder, als er mit seinem Jagdwagen auf gleicher Höhe war, aber ich rief zurück „Ich bin nicht mehr aufgeregt, jetzt kann ich eh nichts mehr machen!“, was den Chefredakteur sehr verblüffte, denn er hatte keine Ahnung gehabt, daß ich mit der Sache irgendetwas zu tun gehabt hatte, außer ihm einen Brief zu überbringen.
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Beim ersten Stop wuselte alles durcheinander. Gertrud betüdelte die Ehrengäste, der leibhaftig gewordene Charme. Ich, meine Niederlagen beim Stelldichein vor Augen (nicht „Guten Morgen, Master!“ gesagt, nicht von Anbeginn direkt neben dem Schleppenleger gewesen) und den Master über mein Sektglas hinweg mit Adlerblicken beobachtend – Stein sah den Sekt mit offensichtlichem Mißfallen –, ich war diesmal gottlob auf Zack. Das Glas irgendeinem Fremden in die Hand drückend, war ich mit einem Hechtsprung – nie zuvor war mir das gelungen, die Angst vor einer erneuten Blamage verlieh mir Flügel -, mit einem Hechtsprung also war ich zu Pferd, mit drei Galoppsprüngen beim Schleppenleger; und die Equipage war schon wieder auf dem Weg, als die Feldführer noch verzweifelt versuchten, ihre Felder wieder einzusammeln – doch verständlicherweise hatte man Mütter, Väter, Tanten und Onkel zu umarmen und mit Eßbarem zu versorgen.
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Eine kurze Showeinlage bot kurz darauf dann der Förster-Otto, der mit seiner Kutsche fast verhindert hätte, daß die Nachwelt von der Tarahausener Jugendjägerei erfuhr: Ihm rissen nämlich gleich beide Leinen, und sein Fuchs nahm Kurs auf die Fotografin der Tageszeitung. Die, selbst erprobte Jagdreiterin, hatte ihr Leben zwar durch einen beherzten Sprung in die Brombeeren retten können, doch sie zitterte noch zwei Stunden später.
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #381 am:

Die nächste Wiese hinunter ein wunderschöner Galopp – für die Equipage. Als sie die Hunde ablegte, rätselte man wieder: „Ja, wo reiten sie denn?“
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Die Antwort ließ diesmal nicht allzulange auf sich warten: Rasend schnell näherten sich drei kleine Punkte, die sich blitzschnell als ausgewachsene Schulpferde entpuppten – im gestreckten Galopp auf den vielbefahrenen Belzweg zu!
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Mir wurde ganz schlecht. Unter Aufbietung aller Kräfte hatte Birte verhindern können, daß der Rest des Feldes sich an den dreien ein Beispiel nahm, und die Equipage, eben noch plaudernd im Wartestand, vollbrachte hier ihre Meisterleistung: Während ich im Geiste zitternd die Toten zählte, hatten Master und Piköre von Null auf hundertachtzig beschleunigt und die Jugendlichen noch vor der Straße zur Strecke gebracht!
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Die besten Cowboys waren ein schlapper, müder Haufen gegen unsere Jugendjäger!
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Ich wischte mir den Angstschweiß von der Stirn, doch danach wurde es geradezu langweilig. Um die Sache etwas aufzulockern, baute Schumi im zweiten Feld kurz die große Abseits-Falle auf: In breiter Front galoppierend, zogen die Rotröcke vorn kurz die Bremse an, und natürlich wurden sie überholt von Reitern, die nicht so schnell durchparieren konnten - und wieder hatte man einige Kandidaten für das Jagdgericht...
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Auf der Strecke zum zweiten Stop am Tempel, unserem Vielseitigkeits-Platz, legte der Schleppenleger noch einige kurze Kringel an, worauf sich die Meute aber, nicht doof, mal gerade ein Ei backte. Pfeilgerade schoß sie auf den Tempel zu, egal, was der Scent – jaja, heißt so, also was die Duftspur sagte. Und endlich bekamen auch unsere bis dahin blütenweißen Hosen die richtige Farbe: Einige große Pfützen waren nach den Regentagen nämlich doch noch übriggeblieben.
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Und zu meiner ganz, ganz großen Befriedigung sah ich aus dem Augenwinkel, daß auch ein Master manchmal Mühe hat, sein Pferd durch so eine Pfütze zu bringen... „Hast du das gesehen?“ sprach Stein daraufhin empört zu mir. Es muß ihn gewurmt haben, daß ich das mitbekommen hatte.
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Auf dem Tempel wieder großes Gewimmel rund um Sekt und Brötchen. Gernot, der großherzig erst einmal dafür sorgte, daß die Reiter was bekamen, starb fast Hungers und klagte noch nach Tagen, daß jemand ihm das letzte Brötchen geklaut habe. Unsere liebe Equipage legte auf der 500-Meter-Sandbahn rund um den Tempel noch eine Schleppe an, damit die Zuschauer was zu schauen hatten, und nach dem Stop setzten sich die Erwachsenen mit ihrem Wunsch durch, nun auch einmal hinter den Hunden reiten zu dürfen.
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Bei einer Runde um die nächste Wiese kam es leider zu einem kleinen Mißverständnis zwischen Schleppenleger und Schleppenbegleiterin, und so legte ich denn mit einem sehr verblüfften Tignous mutterseelenallein und vor vielen ebenfalls verblüfften Zuschauern noch eine Ehrenrunde in der falschen Richtung ein. :P
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #382 am:

Halali! Halali! Halali! Schon waren wir wieder auf der großen Mainwiese vor van Krachten, auf der tatsächlich das Feuer brannte! Gelobt sei Manni. Die meisten Erwachsenen machten alles falsch. Außer den Schoppereitern – Albert, Schumi, Bastl, die alle schon viele richtige Jagden mitgemacht hatten –, Birte und mir hatte nicht ein Erwachsener den rechten Handschuh ausgezogen! „Halali“ rief kaum einer.
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Die Jugendlichen allerdings, von Birte präpariert, machten alles richtig. Ebenfalls richtig machten es die ebenfalls präparierten brücheverteilenden Damen. Zur Unterstützung der Chefredakteursgattin hatten wir noch van Krachtens Angetraute rekrutiert: „Waidmannsheil!“ „Waidmannsdank!“ – vierundvierzigmal, die Equipage eingeschlossen.
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Unser Hausherr wurde geehrt, und dann zeigte uns Master Stein – ohne Flüstertüte, der Mann brauchte keine Flüstertüte -, wie ein anständiges Horrido! auszusehen hat.
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„Auf die Hunde! Auf die Pferde! Auf die Jagdreiterei - ein dreifach kräftiges: Horridoh!“
„Joho!“ antwortete es aus dreiundvierzig Kehlen.
Der Master brauchte wirklich keine Flüstertüte. „Horridoh!!“
„Joho!!“
„Horridoh!!!“
„Joho!!!“
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Dem Herrn Chefredakteur, der neben mir stand, lief ein sichtbarer Schauer über den Rücken. Das hatte er nicht beim Gesangverein! Und Stein – war’s Überanstrengung, war’s wahre Größe? – versprach, wiederzukommen!
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Zu meiner riesigen Freude überreichte mir Speichenrieder coram publico einen Blumenstrauß. Die kleine Anerkennung tat so gut nach all dem Geschimpfe des Vorstandes! Und es gab wirklich im ganzen Ort keinen, wirklich niemanden, der so viel selbstverständlichen, zurückhaltenden Stil hatte wie dieser Mann aus kleinsten Verhältnissen.
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Jetzt war von Schimpfen allerdings nichts mehr zu merken. Überall nur begeisterte Gesichter! Elvira und Trudi wuselten um Chefredakteur, Verbandsmenschen und ihren allmächtigen van Krachten rum. Das war Birte und mir sehr recht – endlich konnten wir uns um uns selber kümmern.
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Beim Abmarsch sahen wir eben den Bastl Richtung Bäckerei verschwinden – sein roter Rock war auf dem Rücken mitten entzwei gerissen, das weiße Hemd rüschte sich dazwischen. Nun ja, er war in den letzten Jahren etwas stärker geworden, und den roten Rock hatte er sich schon vor über dreißig Jahren verdient.
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Birte half, die Schulpferde zu Bett zu bringen, Frank und ich stellten Turi und Ti erstmal in leere Boxen auf dem Gutshof, weil uns der Heimritt zu viel Zeit gekostet hätte. Eigentlich verboten, doch heute durfte sogar Elvira das sehen: Sie war uns äußerst gnädig gestimmt.
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Das klatschnasse Fette Pony schien mir vor Stolz fast zu platzen. Richtig gut kam sich Tignous offensichtlich vor, wie er da neben mir über den Hof tänzelte. Klar: War er doch, natürlich nur dank seiner stetigen Schläue, Wachsamkeit und Wendigkeit, diesem gefährlichen Hundepack entwischt, das er da zwei Stunden lang auf den Hacken gehabt hatte!
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #383 am:

Auf in die Reithalle zum Schüsseltreiben! Die Wilhelm Milkereit-Gedächtnishalle hatte noch selten so schön ausgesehen. Vor allem war sie auch endlich einmal wieder gründlich abgestaubt. Anne hatte alles geradezu generalstabsmäßig vorbereitet. Die Tische mit – natürlich ebenfalls gespendeten - Blumen (in so einem Verein gibt es ja vom Miele-Mann bis zum Zahnarzt so gut wie alles, und Berthold besaß einen Blumenladen, wie gut sich das traf) und – von mir – gemalten Reserviert-Schildern geschmückt... Zeitungen mit meinen Sonderseiten über das Jagdreiten und den berühmten Vierspänner-Fahrer Michael Freund lagen hübsch drapiert aus… Während die Halle den Aktiven vorbehalten war, standen sich die Eltern und die anderen Zuschauer auf der Tribüne und im vollgepackten Casino oben gegenseitig auf den Füßen und drückten sich die Nase an den Scheiben platt. Erbsensuppe gab’s oben wie unten, sie schmeckte wunderbar.
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Ich weiß nicht, ob van Krachten daran dachte – vermutlich nicht! -, aber Birte und ich knöpften uns nochmal ordentlich zu, stiefelten zum Tisch der Meute und statteten der Equipage unseren förmlichen und sehr tief empfundenen Dank ab. Für die Jugendjagd und für das Jagen der Jugend. Nein, wir knicksten nicht, höchstens innerlich.
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Und dann zur allgemeinen Gaudi: das Jagdgericht! Das Jagdgericht ahndet Regelverstöße und Reiterfehler (auch dazu können Piköre also da sein: zum Verpfeifen); im einfallslosen Fall werden nur Runden gezahlt, im besseren gibt’s manchmal Geldstrafen, die dem Personal zukommen, oder Kniebeugen oder ähnliches; im besten Fall ist es eine wunderbare Parodie.
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Jagdgericht lehne er generell ab, hatte uns der Master vorher wissen lassen, wie sich Unsere Meute überhaupt strengstens an die reine hehre Lehre hielt: Sofort nach Jagdende wurde zum Beispiel der rote Rock abgelegt und die schicke graue Vereinstracht angezogen, es gab keine Meutenknöpfe, Rundenzahlen und Alkohol überhaupt wurden abgelehnt. Also jedenfalls vom gestrengen Master.
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Folgerichtig das Jagdgericht auch. Aber vielleicht würde sich der Erhard Baumgartner, ebenfalls Mitglied der Equipage und Vorsitzender des Kreisreiterbundes, dazu hergeben: „Der macht so was ganz gerne,“ hatte Stein gemeint und es uns wenigstens nicht verboten. Baumgärtner hatte dann auch gleich zugesagt. Birte und Monika, die bedauernswerte Lebensgefährtin unseres Betriebsleiters, die auch mitgeritten war, würden ihm zur Seite stehen.
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #384 am:

Die beiden Frauen, die Reitkappen falschherum auf dem Kopf, trugen nun also den Baumgartner Erhard als den Vorsitzenden Richter in die Halle. Der mimte sehr überzeugend einen Besoffenen, hatte wie seine Mit-Richterinnen den Helm verkehrt herum aufgesetzt, zudem den Rock (wieder rot, beim Meutengrau zum Jagdgericht hätte der Master vermutlich einen Anfall bekommen) falschherum angezogen und hinten halb zugeknöpft, und lallte nur. Die drei setzten sich an den „Richtertisch“. Alles lauschte in ehrfürchtigem Schweigen.
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Birte deutete die ersten Delinquenten aus.
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„Elke!“
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„Warum ich?“ Die zehnjährige Elke bildete sich was darauf ein, daß sie im Gegensatz zu anderen ihr Pferd immer unter Kontrolle gehabt hatte. Gerade darum war sie jetzt aber dran, wegen ihrer Übervorsichtigkeit nämlich und weil sie dabei anderen im Weg herumgestanden war: „Du bist rückwärts geritten!“
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Elke mußte in die Bahn. „Anreiten!“ Elke ritt brav an, formvollendet. Ohne Pferd natürlich. „Bei F: Mittelpass!“ Elke tat ihr Bestes, nicht einfach mit nur zwei Beinen. „Bei H: Jagdgalopp!“ Elke galoppierte, was das Zeug hielt. Selbst das letzte Kommando führte sie noch mit Bravour aus: „Bei M: Sliding Stop mit Handstand-Überschlag!“ Das Mädel spielte wirklich prima mit (und konnte Handstand-Überschlag), und Birte lief mit ihren komplett irren Kommandos zu großer Form auf; die Reithalle brüllte vor Lachen.
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Paul Walke, schließender Pikeur im zweiten Feld, wieherte lauthals mit, bis ihm was klarwurde und er bedenklich das Gesicht verzog – jawohl, da war er auch schon selbst dran. Monika bestrafte ihn mit einer Geißbock-Piaffe, einer Hinterhandwendung auf dem rechten Bein und einer Runde versammeltem Schweinepaß auf dem oberen Zirkel. It’s cool, Walkepaule!
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Der Vorsitzende Richter brabbelte, schwankte auf seinem Stuhl und bekam Schluckauf.
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Dann kamen zweie dran, denen die Pferde durchgegangen waren. Diese beiden armen Kinder werden gewiß im ganzen Leben keine Equipage mehr überholen!
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Sie hatten einen Pas de deux vorzuführen. Birte war einfach klasse: „Kreuzgalopp!“ (ist ein ganz falscher Galopp) - „Rückwärtsvolte im versammelten Kreuzgalopp!“ Hände verschränkt, kreuzgaloppierten die Mädels brav rückwärts. „Durch die Länge der Bahn: Fliegende Wechsel von Kreuzgalopp zu Kreuzgalopp!“ Karin und Johanna stolperten fast über ihre Füße.
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Erlöst waren sie dann aber noch immer nicht, denn eben erblickte der Baumgartner Erhard unseren Ersten Sitzenden: „Den Klaus kauf’ ich mir!“ hörte ich ihn murmeln. Baumgartner hatte ein tückisches Leuchten im Auge – da war wohl eine alte Rechnung zu begleichen.
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Der arme Klaus Obermann habe, mit eisenharter Kralle kutschierend (nun ja, die leichteste Hand hatte er vielleicht wirklich nicht, aber so schlimm war’s nun auch wieder nicht), seinem Gespann völlig unnötiger- und ungerechterweise einen kräftigen Insterburger verpaßt, behauptete Baumgartner lallend. Obermann mußte ran – zu seiner Ehre muß betont werden, daß er sich nicht eine Sekunde lang zierte, Vereinsvorsitzender hin, Riesenpublikum her. Jagdgericht war Jagdgericht!
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Was jetzt kam, war umso gemeiner, als es einfach hinreißend komisch war: Karin und Johanna bekamen Baumgartners Hosenträger verpaßt und stellten Obermanns Rappen dar. Und Klaus Obermann mußte sie fahren, mit den Hosenträgern als Zügeln!
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Der arme Herr Obermann in seinen altmodisch ballonweiten weißen Reithosen und dem schwarzen Jackett, den steifen runden Hut auf dem Kopf, nicht der Jüngste, auch nicht mehr der Schlankste, ergriff sehr achtsam die Hosenträger, vergaß nicht, wie bei einer Fahrprüfung grüßend die Melone vor dem Richter zu ziehen (vermutlich knirschte er dabei mit den Zähnen), und trippelte zierlich hinter seinem Gespann her. Und er hatte im tiefen Hallensand einige Runden zu traben!
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Die Fahreinlage war wirklich allerliebst. Ab und an fielen seine Pferde in Galopp, woraufhin er sie sanft, oh, so sachte wieder durchparierte, oder kickten hinten aus, daß er das Kinn einziehen mußte. Und noch selten habe ich einen Fahrer mit derart seidigweicher Zügelführung gesehen! Er bekam Riesenapplaus.
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #385 am:

Es war einfach alles nur großartig, soviel Stimmung war selten gewesen. Unsere Jugendjagd war ein wahnsinniger Erfolg! Auch wenn unsere große Zeit sichtbar vorbei war und sehr viel ja absolut nicht geklappt hatte, von der verschwundenen Tröte bis zu den nicht ausgezogenen Handschuhen – Stil und Ideen hatten wir bei van Krachten immer noch, und alles – also wirklich jeder! – war voll des Lobes.
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Birte und ich strahlten zwar alle selbstsicher an – wir hatten ja natürlich immer gewußt, daß alles klappen würde, haha -, doch wir hatten uns von diversen Schrecken noch keineswegs erholt.
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„Mann du, wie die mir nach dem ersten Stop durchgegangen sind – ich dachte, jetzt laß’ ich mich umschulen!“
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Ich drückte Birte verstohlen die Hand. „Mir war sterbensschlecht!“ gab ich zu, „ich wußte ja nicht, daß Manni den Belzweg schon gesperrt hatte!“ Bei der Erinnerung wurde mir immer noch ganz kalt. „Und als die Bläser da am Kai lostuteten, dachte ich, der Ti geht mir durch und ich kriege ihn erst auf der Frankfurter Messe wieder zum Stehen!“ Viel hatte auch nicht gefehlt. Punkt für Punkt gingen wir alles durch. Aber erst zuhause zitterte ich langsam aus.
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Gegen Mitternacht kam ein Anruf von Anne, ganz aufgeregt: „Stell’ dir vor, wir haben fast zweitausendfünfhundert Mark eingenommen!“
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„Brutto oder netto?”
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„Quatschkopf! War doch alles gespendet! Also, wenn ich mich nicht verzählt hab’, und ich verzähl’ mich eigentlich nie, und ich hab‘ jetzt dreimal gezählt, dann haben wir zweitausendvierhundertundfünfzig Mark. Und den einen Fuffi wird ja wohl noch wer drauflegen. Dann können wir deinem Alt zweitausendfünfhundert Emm überreichen!“
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Maaaann!!! Zweitausendfünfhundertmark!!! Einsam und aufrecht im Schlafzimmer stehend, brachte ich ein dreifach kräftiges Horrido! aus: Auf die Hunde! Auf die Pferde! Auf die Jugendjägerei! Hussassa!
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Und alle Spender, Helfer und stillen Dulder, vor allem aber die tapferen Jugendjäger Unserer Meute, schloß ich in mein Nachtgebet ein. Ganz ehrlich. Also fast ganz. 😉
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Die Sache erschien in mehreren Fachzeitschriften, mit wunderbaren Fotos – Equipage und Kinder, Hunde, Bläser, Alt, van Krachtens Ehrung, alles dabei, und die Texte lasen sich so, als ob alles hervorragend geklappt hätte. Alles freute sich. Nur bei der nächsten Jahreshauptversammlung wurden wir vor versammelter Mannschaft wegen Eigenmächtigkeit noch mal kräftig abgekanzelt, zur Abschreckung eventueller Nachahmer, ansonsten aber allerorten sehr gelobt.
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Monate später bekamen wir offizielle Post, auf schwerem Bütten: Der Schleppjagdverein, der einmal im Jahr alle gehabten Jagdherren zu einem schönen gemeinsamen Abend einlud, bat netterweise und vermutlich augenzwinkernd um die Ehre, Birte und mich – nicht den Chefredakteur oder van Krachten – zum Saisonabschluß auf seinem Kennelgelände begrüßen zu dürfen. In den stilvollen Vereinsräumen am Schloß Soundso waren da lauter gestandene und gewesene Jagdreiter beisammen, aber mit ungezwungener Höflichkeit ließ niemand merken, daß wir kleinen Lichter in einer anderen Liga spielten. Allerdings hörten wir auch meist nur zu. Da gab’s Geschichten! Schön war’s.
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Mir aber steckt die Aufregung heute noch in den Knochen. Und schuld, daran führt kein Weg vorbei, war nur Birte! Und die schuldet mir zum Ausgleich heute noch eine Musik-Kür der Klasse S, zu Fuß selbstverständlich, mit den Pflichtteilen Jagdgalopp, Arbeitstölt und Rückwärtsvolte im versammelten Kreuzgalopp.
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Und ich weiß auch, wer dann mitten in der Bahn steht... mit der Longierpitsch! :P


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Rosenfee
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Re: Was vom Pferd

Rosenfee » Antwort #386 am:

Ach Tara, Du hast ein unschlagbares Talent für spannende (Pferde-)geschichten!!! Ich hab die Jugendjagd aufgeregt mitfiebernd genossen :D
LG Rosenfee
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Quendula
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Re: Was vom Pferd

Quendula » Antwort #387 am:

Herrlich :D!
Lieben Dank für die schöne Geschichte :-*.
Erwarte nichts, doch rechne mit allem!
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Tara
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Re: Was vom Pferd

Tara » Antwort #388 am:

:)
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Re: Was vom Pferd

Rosenfee » Antwort #389 am:

Ich hab heute Nacht tatsächlich von der Jugendschleppjagd geträumt ;D ;)
LG Rosenfee
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