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Frage zu Glyphosat (Gelesen 772282 mal)
Moderatoren: Nina, Phalaina, cornishsnow, cydorian, partisanengärtner, Conni, AndreasR
Re: Frage zu Glyphosat
Hallo,
ich weiß, dass Glyphosat gegenüber anderen Herbiziden, die benutzt wurden und werden, bei weitem weniger toxisch ist.
Ich lehne den Einsatz von Glyphosat in unserem Garten ab, weil ich es im Privatbereich als unangemessen empfinde, mit künstlich hergestelltem Gift -egal wie stark oder schwach toxisch- zu hantieren, muss aber gleichzeitig zugegeben, dass der Einsatz von Plastikplanen, so wie wir es machen, ökologisch eventuell nicht viel besser abschneidet. Ich will damit sagen, dass ich eigentlich nicht verbissen an die Sache gehe, sondern für mich eine Werteentscheidung getroffen habe und akzeptieren kann, wenn ein anderer das Vorbereiten von Pflanzflächen mit Planen verwirft und zu Glyphosat greift.
Insgesamt habe ich aber grundsätzliche Bedenken, zu versuchen, das Thema rein mit Hilfe der gerade herrschenden "Faktenlage" abbilden zu wollen.
Zum einen ist Wissenschaft und sind auch wissenschaftliche Ergebnisse selbst viel zu sehr Veränderungen unterworfen. Es gehört halt nicht nur die Kenntnis der Faktenlage dazu, um Fakten interpretieren zu können, sondern auch die Befragung der Wissenschaft an sich, sprich Wissenschaftstheorie.
Wissenschaft produziert Fakten in Abhängigkeit von gerade herrschenden Paradigmen und löst ihre eigenen "Fakten" regelmäßig nach einigen Jahrzehnten durch "neuere" Methoden auch wieder auf. Ich erinnere mich noch ganz genau an Studien, die die Harmlosigkeit der Neonicotinoiden bei Bienen anpriesen. Bis man auf die Idee kam, die Experimente zu verändern und mehr auf Wechselwirkungen verschiedenster Stoffe in den Bienen zu achten und siehe da: ganz neue Fakten. Aus diesen Gründen gibt es eben viele Menschen, die vorsichtig geworden sind, den Versicherungen der Wissenschaft Glauben zu schenken. Jetzt kann man sagen, Wissenschaft sei aber das genaueste, was wir haben. Ja, aber sie deckt sich nicht mit der Realtität! Das wird manchmal von Wissenschaftlern oder Wissenschaftsinteressierten suggeriert.
Ich möchte auf keinen Fall behaupten, man sollte aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse nicht in Entscheidungen einfließen lassen, aber eine gewisse Skepsis kann durchaus gesundheitsfördernd sein. Ich erinnere an die Medizin des 17.Jahrhunderts, für die es ein Fakt war, dass viele Krankheiten von den Zähnen kommen. Daher ließ sich der bis dahin gesunde Ludwig XIV. seine gesamten Zähne ziehen. Eine gewisse Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen hätte ihn vor viel Leid bewahrt. Jetzt kann man natürlich sagen, so ein Vergleich geht doch nicht, Wissenschaft heute "weiß" doch viel mehr. Aber gerade das ist ja Teil unseres heutigen Wissenschaftsparadigmas, dass Wissenschaft Wissen angeblich akkumuliere und wir heute "mehr" wüssten. Das ist aber ein reiner Glaube! Wir wissen nicht mehr, wir wissen anders.
Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen erscheint mir noch wichtig, dass die tatsächliche "Faktenlage", wenn ich dieses mir normalerweise eher ungebräuchliche Wort einmal übernehme, nicht im Labor existiert, sondern in der Landschaft. Und da kann ich sagen, dass es einfach nichts mehr gibt! Wir leben hier in einer völlig ausgeräumten Landschaft. Es gibt Bauern, die sind zu faul, ihren Grasweg und Randstreifen vor dem Acker zu mähen, das wird einfach totgespritzt! Das nennt man dann "Programm Ackerrandstreifen" und der Bauernverband rühmt sich dessen noch! Das macht mich so unendlich wütend, dass ich gar nicht mehr differenziert an die Sache rangehen möchte. Glyphosat ist für viele Menschen einfach zu einem Symbol geworden für eine völlig verfehlte Landwirtschaft.
Dass ein Verbot von Glyphosat diese Zustände nicht verbessert, möglicherweise sogar verschlimmert, gestehe ich zu. Aber für viele Menschen mit offenen Augen geht es so nicht mehr weiter. Und alle Beteiligten sollten sich fragen, woher dieser Zorn, der sich an Glyphosat festbeißt, eigentlich herkommt. Bei uns jedenfalls finde ich die Ursache meines Zorns bei jedem Spaziergang.
Grüße
Markus
ich weiß, dass Glyphosat gegenüber anderen Herbiziden, die benutzt wurden und werden, bei weitem weniger toxisch ist.
Ich lehne den Einsatz von Glyphosat in unserem Garten ab, weil ich es im Privatbereich als unangemessen empfinde, mit künstlich hergestelltem Gift -egal wie stark oder schwach toxisch- zu hantieren, muss aber gleichzeitig zugegeben, dass der Einsatz von Plastikplanen, so wie wir es machen, ökologisch eventuell nicht viel besser abschneidet. Ich will damit sagen, dass ich eigentlich nicht verbissen an die Sache gehe, sondern für mich eine Werteentscheidung getroffen habe und akzeptieren kann, wenn ein anderer das Vorbereiten von Pflanzflächen mit Planen verwirft und zu Glyphosat greift.
Insgesamt habe ich aber grundsätzliche Bedenken, zu versuchen, das Thema rein mit Hilfe der gerade herrschenden "Faktenlage" abbilden zu wollen.
Zum einen ist Wissenschaft und sind auch wissenschaftliche Ergebnisse selbst viel zu sehr Veränderungen unterworfen. Es gehört halt nicht nur die Kenntnis der Faktenlage dazu, um Fakten interpretieren zu können, sondern auch die Befragung der Wissenschaft an sich, sprich Wissenschaftstheorie.
Wissenschaft produziert Fakten in Abhängigkeit von gerade herrschenden Paradigmen und löst ihre eigenen "Fakten" regelmäßig nach einigen Jahrzehnten durch "neuere" Methoden auch wieder auf. Ich erinnere mich noch ganz genau an Studien, die die Harmlosigkeit der Neonicotinoiden bei Bienen anpriesen. Bis man auf die Idee kam, die Experimente zu verändern und mehr auf Wechselwirkungen verschiedenster Stoffe in den Bienen zu achten und siehe da: ganz neue Fakten. Aus diesen Gründen gibt es eben viele Menschen, die vorsichtig geworden sind, den Versicherungen der Wissenschaft Glauben zu schenken. Jetzt kann man sagen, Wissenschaft sei aber das genaueste, was wir haben. Ja, aber sie deckt sich nicht mit der Realtität! Das wird manchmal von Wissenschaftlern oder Wissenschaftsinteressierten suggeriert.
Ich möchte auf keinen Fall behaupten, man sollte aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse nicht in Entscheidungen einfließen lassen, aber eine gewisse Skepsis kann durchaus gesundheitsfördernd sein. Ich erinnere an die Medizin des 17.Jahrhunderts, für die es ein Fakt war, dass viele Krankheiten von den Zähnen kommen. Daher ließ sich der bis dahin gesunde Ludwig XIV. seine gesamten Zähne ziehen. Eine gewisse Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen hätte ihn vor viel Leid bewahrt. Jetzt kann man natürlich sagen, so ein Vergleich geht doch nicht, Wissenschaft heute "weiß" doch viel mehr. Aber gerade das ist ja Teil unseres heutigen Wissenschaftsparadigmas, dass Wissenschaft Wissen angeblich akkumuliere und wir heute "mehr" wüssten. Das ist aber ein reiner Glaube! Wir wissen nicht mehr, wir wissen anders.
Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen erscheint mir noch wichtig, dass die tatsächliche "Faktenlage", wenn ich dieses mir normalerweise eher ungebräuchliche Wort einmal übernehme, nicht im Labor existiert, sondern in der Landschaft. Und da kann ich sagen, dass es einfach nichts mehr gibt! Wir leben hier in einer völlig ausgeräumten Landschaft. Es gibt Bauern, die sind zu faul, ihren Grasweg und Randstreifen vor dem Acker zu mähen, das wird einfach totgespritzt! Das nennt man dann "Programm Ackerrandstreifen" und der Bauernverband rühmt sich dessen noch! Das macht mich so unendlich wütend, dass ich gar nicht mehr differenziert an die Sache rangehen möchte. Glyphosat ist für viele Menschen einfach zu einem Symbol geworden für eine völlig verfehlte Landwirtschaft.
Dass ein Verbot von Glyphosat diese Zustände nicht verbessert, möglicherweise sogar verschlimmert, gestehe ich zu. Aber für viele Menschen mit offenen Augen geht es so nicht mehr weiter. Und alle Beteiligten sollten sich fragen, woher dieser Zorn, der sich an Glyphosat festbeißt, eigentlich herkommt. Bei uns jedenfalls finde ich die Ursache meines Zorns bei jedem Spaziergang.
Grüße
Markus
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Re: Frage zu Glyphosat
@bristlecone: Wesentlich war wohl die Größe und Marktmacht für den Erwerb - China ist sehr umtriebig. Ansonsten wäre Bayer gegen andere Big Player ins Hintertreffen geraten. Glyphosat ist eher "Beifang" denke ich - aber risikotechnisch nicht toxisch (im Sinne von einer Zeitbombe). Wer soll sowas beurteilen können und vor allem wollen, wenn nicht ein potentieller Käufer?
Und, so, wie Du schreibst (ich sage meist "spießig" dazu als Kurzformel) - in Deutschland spielts die Zukunft nicht. Bayer hat nun alle Möglichkeiten in den USA oder sonstwo.
Und, so, wie Du schreibst (ich sage meist "spießig" dazu als Kurzformel) - in Deutschland spielts die Zukunft nicht. Bayer hat nun alle Möglichkeiten in den USA oder sonstwo.
Re: Frage zu Glyphosat
MarkusG hat geschrieben: ↑19. Jul 2017, 14:49
uih, das ist jetzt eindeutig zu lang geworden. Sorry.
[/quote]
Wieso sollte das zu lang geworden sein? Weil es mehr als 160 Zeichen sind und damit nicht in Twitter passt? ;)
Du sprichst ziemlich viele Punkte an. Ich greife nur einige heraus:hat geschrieben: ↑1. Jan 1970, 01:00Ich möchte auf keinen Fall behaupten, man sollte aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse nicht in Entscheidungen einfließen lassen, aber eine gewisse Skepsis kann durchaus gesundheitsfördernd sein.
Unbedingt - allerdings sollte man die Erkenntnisse auch zur Kenntnis nehmen und nicht immer wieder neue Untersuchungen fordern mit dem Hinweis, man könne immer noch nicht mit Sicherheit ausschließen, ob nicht vielleicht doch irgendwo ...
Man kann bekanntlich nicht beweisen, dass etwas nicht ist. Behauptet auch kein Naturwissenschaftler. Aber daraus folgt nicht im Umkehrschluss, dass etwas ist, bloß weil man etwas behauptet.
Glyphosat dürfte eines der am besten untersuchten PSM sein, die eingesetzt werden.
Die Datenlage zu Humantoxikologie, Ökotoxikologie und Umweltverhalten sowie zum Wirkungsmechanismus ist umfangreich.
Glyphosat greift sehr spezifisch in einen Stoffwechselweg ein, der bei Tieren nicht vorkommt, und hat daher in den Konzentrationen, die in Umwelt, Wasser und Nahrung als Rückstände auftreten, keine schädigende Wirkung.
Es wird im Boden abgebaut, die dabei entstehenden Zwischenprodukte sind noch weniger toxisch als Glyphosat selbst, die Endprodukte des Abbaus sind Wasser, CO2, Ammonium und Phosphat.
Problematischer können einige oberflächenaktive Stoffe sein, die in den Anwendungsprodukten drin sein können, insbesondere die Tallowamine. Gerade die hat allerdings das BfR in Deutschland schon vor Jahren als kritisch ausgemacht und auf Ersatzstoffe gedrängt - die hierzulande eingesetzt werden.
Summa summarum gibt es keine ernsthaft begründbaren Bedenken zur Anwendung, die aus den genannten Punkten resultieren.
Die Artenvielfalt bzw. die schädigenden Auswirkungen moderner hiesiger Landwirtschaft: Da stimmen wir wohl weitgehend überein.
Nur wird sich das nicht dadurch ändern, dass Glyphosat - oder ein anderes Herbizid - vom Markt verschwindet.
Landwirte werden andere Stoffe einsetzen.
Und im Privatbereich, wo die Anwendung von PSM auf gepflasterten Flächen schon heute verboten ist, gibt es heute schon Alternativen wie "Steinreiniger" mit Natriumchlorat, wo in der Gebrauchsanweisung treuherzig darauf verwiesen wird, dass man das Zeugs nicht auf Pflanzen sprühen darf, weil die davon sterben und das verboten ist. Als Herbizid ist Chlorat in der Tat - zu Recht - seit Langem verboten.
Ob "künstlich hergestelltes Gift" oder Naturstoff, ist völlig egal - die Natur hält da so Einiges bereit - man denke an Blausäure, Aflatoxine, Pyrrolizidine, Mutterkorn, Botox, Oxalyldiaminopropionsäure (Lathyrismus), Asbest, Alkohol, Kohlenmonoxid, Uroshiole, Azadirachtin usw. usf. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
[quote]Insgesamt habe ich aber grundsätzliche Bedenken, zu versuchen, das Thema rein mit Hilfe der gerade herrschenden "Faktenlage" abbilden zu wollen.
Wie denn sonst? Auf Basis der Gefühlslage? Aus dem Vogelzug? Dem Kaffeesatz? Würfeln? Orakel?
Wir können uns doch nur an das halten, was wir wissen - d. h., das was untersucht ist und zu reproduzierbaren Erkenntnissen geführt hat.
Natürlich kann es sein - und sollte es im Fall des Falles auch! -, dass wir zu dem Ergebnis kommen, der Wissensstand reiche nicht aus, um etwas zu bewerten oder zu verstehen.
Um das zu vermeiden - und auf PSM zurückzukommen - gibt es recht aufwendige Zulassungsverfahren, in denen Untersuchungen zu allen oben genannten Punkten durchgeführt und vorgelegt werden. Auf deren Basis wird entschieden. Im Falle von Glyphosat kommen haufenweise Studien aus der langjährigen Anwendung hinzu.
Wenn die Fakten insgesamt nicht das hergeben, was manche gerne hätten, so ist das nicht Schuld der Fakten.
Re: Frage zu Glyphosat
Hallo bristlecone,
danke für Deine Antwort, in der ich durchaus viele Übereinstimmungen finde mit dem was ich sagte oder zumindest -falls es nicht geglückt ist- sagen wollte.
Mir ging es darum, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, wo die angeblich so "irrationale" Ablehnung von Glyphosat denn herkommt! Und "Fakt" ist eben auch, dass es ganze Landschaften ausräumt. Angesichts dieser Tatsachen werden Studien, die in der einen oder anderen Weise eine Ungefährlichkeit nachweisen, einfach irrelevant. Wenn mich ein Bär attackiert, lese ich keine Studien mehr über Bären. Und viele Menschen empfinden den realen Umgang mit Glyphosat als verheerenden Angriff auf die Natur, die uns allen gehört (oder niemandem). Daher die Emotionalität und der Unwillen, sich mit Studien zu befassen. Es geht um eine Empathie mit der Natur und ein Erschrecken über ihr Verschwinden. Dies mit Kaffeesatzleserei gleich setzen zu wollen, greift zu kurz.
(Übrigens habe ich nicht gesagt, man möge den derzeitigen Wissenschaftsstand ignorieren, ich habe lediglich gesagt, ich glaube nicht, dass man das Thema Glyphosat rein durch die gerade herrschende Faktenlage abbilden könne. Das ist was anderes!)
Markus
danke für Deine Antwort, in der ich durchaus viele Übereinstimmungen finde mit dem was ich sagte oder zumindest -falls es nicht geglückt ist- sagen wollte.
Mir ging es darum, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, wo die angeblich so "irrationale" Ablehnung von Glyphosat denn herkommt! Und "Fakt" ist eben auch, dass es ganze Landschaften ausräumt. Angesichts dieser Tatsachen werden Studien, die in der einen oder anderen Weise eine Ungefährlichkeit nachweisen, einfach irrelevant. Wenn mich ein Bär attackiert, lese ich keine Studien mehr über Bären. Und viele Menschen empfinden den realen Umgang mit Glyphosat als verheerenden Angriff auf die Natur, die uns allen gehört (oder niemandem). Daher die Emotionalität und der Unwillen, sich mit Studien zu befassen. Es geht um eine Empathie mit der Natur und ein Erschrecken über ihr Verschwinden. Dies mit Kaffeesatzleserei gleich setzen zu wollen, greift zu kurz.
(Übrigens habe ich nicht gesagt, man möge den derzeitigen Wissenschaftsstand ignorieren, ich habe lediglich gesagt, ich glaube nicht, dass man das Thema Glyphosat rein durch die gerade herrschende Faktenlage abbilden könne. Das ist was anderes!)
Markus
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Re: Frage zu Glyphosat
MarkusG hat geschrieben: ↑19. Jul 2017, 15:57Mir ging es darum, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, wo die angeblich so "irrationale" Ablehnung von Glyphosat denn herkommt!
Das ist das Ergebnis äußerst erfolgreicher Agitation und Propaganda.
„Am Ende entscheidet die Wirklichkeit.“ Robert Habeck
Re: Frage zu Glyphosat
Dass sich alles jetzt auf Glyphosat konzentriert und der Stoff entweder für alles verantwortlich gemacht wird, was es in der Argrarlandschaft zu kritisieren gibt, oder einfach gleich stellvertretend für das Böse schlechthin herhalten muss, halte ich für die Folge einer Kampagne.
Die Welt ist komplex, da ist es praktisch, wenn man dem bösen Feind ein Gesicht geben kann.
Zu deinem Beispiel mit dem Bären - eher trifft es für mich die alte Geschichte vom Sack, den man haut, wo man den Esel meint, oder der alte Witz von dem Betrunkenen, der verzweifelt seinen Schlüssel unter Laterne sucht, aber nicht findet. Gefragt, ob er sich denn sicher sei, dass er den hier verloren habe, antwortet er: "Nein, da hinten. Aber da ist es zu dunkel zum Suchen."
Die Welt ist komplex, da ist es praktisch, wenn man dem bösen Feind ein Gesicht geben kann.
Zu deinem Beispiel mit dem Bären - eher trifft es für mich die alte Geschichte vom Sack, den man haut, wo man den Esel meint, oder der alte Witz von dem Betrunkenen, der verzweifelt seinen Schlüssel unter Laterne sucht, aber nicht findet. Gefragt, ob er sich denn sicher sei, dass er den hier verloren habe, antwortet er: "Nein, da hinten. Aber da ist es zu dunkel zum Suchen."
Re: Frage zu Glyphosat
Hallo bristlecone,
die Geschichte finde ich sehr gut und das Beispiel mit dem Sack und dem Esel passt auch hervorragend. Ich kann Eure (auch Staudos) Argumentation in weiten Teilen nachvollziehen. Nur ist für mich der Blick in Eurer Richtung verengt. Ich weiß nicht, wie die Regionen aussehen, in denen Ihr lebt. Vielleicht sind es noch blühende Landschaften (dies ist keine Anspielung auf einen kürzlich Verstorbenen). Bei uns ist Wüste. Nichts! Graswege, Weinberge und Felder. Naturstauden: so gut wie nichts! Allein die Abnahme an Tagfaltern in den letzten 10 Jahren ist erschreckend.
Glyphosat ist nicht das "Böse", das ist mir klar, aber es repräsentiert für viele Menschen das "Böse", wenn man das Wort überhaupt verwenden will. Daher die Emotionalität. Mich hat keine Kampagne erreicht, mich erreichen die glorreichen totgespritzten Ackerrandstreifen!
Du schreibst an einer Stelle: "Wir können uns doch nur an das halten, was wir wissen.."
Das erscheint klarer, als es in der Realität ist. Ich beispielsweise "weiß", dass die heutige Verwendung von Glyphosat die Artenvielfalt bedroht. Du "weißt" wieder andere Dinge, die ich akzeptiere, so wie Du sicherlich akzeptierst, was ich "weiß". Aus dem, was ich "weiß", müsste man es sofort verbieten. Aus dem was Du "weißt" nicht. Was machen wir jetzt? Beschießen wir uns jetzt mit Studien?
Sicher nicht, wir können uns aber fragen, welche Art von Zukunft wollen wir und das ist eben keine Frage der Faktenlage. Sondern eine politische und weltanschauliche. Das Argument, ein Verbot von Glyphosat führt möglicherweise zu einem Revival von viel bedenklicheren Mitteln, finde ich wichtig. Aber möglicherweise passiert auch etwas anderes und unser Bewusstsein für Lebensmittel, deren Produktion und deren Preis, verändert sich Stück für Stück hin zu einer echten Wertschätzung von lebendigen Produkten.
Über eine Sache müssen wir aber nicht streiten: Wenn die derzeitige Faktenlage beispielsweise eine karzinogene Wirkung verneint, dann kann man das nicht "esoterisch" wegwünschen. Aber das ist ja eh nicht mein Argument gegen Glyphosat, sondern das, was es mit der Region, in der ich lebe, macht.
Markus
die Geschichte finde ich sehr gut und das Beispiel mit dem Sack und dem Esel passt auch hervorragend. Ich kann Eure (auch Staudos) Argumentation in weiten Teilen nachvollziehen. Nur ist für mich der Blick in Eurer Richtung verengt. Ich weiß nicht, wie die Regionen aussehen, in denen Ihr lebt. Vielleicht sind es noch blühende Landschaften (dies ist keine Anspielung auf einen kürzlich Verstorbenen). Bei uns ist Wüste. Nichts! Graswege, Weinberge und Felder. Naturstauden: so gut wie nichts! Allein die Abnahme an Tagfaltern in den letzten 10 Jahren ist erschreckend.
Glyphosat ist nicht das "Böse", das ist mir klar, aber es repräsentiert für viele Menschen das "Böse", wenn man das Wort überhaupt verwenden will. Daher die Emotionalität. Mich hat keine Kampagne erreicht, mich erreichen die glorreichen totgespritzten Ackerrandstreifen!
Du schreibst an einer Stelle: "Wir können uns doch nur an das halten, was wir wissen.."
Das erscheint klarer, als es in der Realität ist. Ich beispielsweise "weiß", dass die heutige Verwendung von Glyphosat die Artenvielfalt bedroht. Du "weißt" wieder andere Dinge, die ich akzeptiere, so wie Du sicherlich akzeptierst, was ich "weiß". Aus dem, was ich "weiß", müsste man es sofort verbieten. Aus dem was Du "weißt" nicht. Was machen wir jetzt? Beschießen wir uns jetzt mit Studien?
Sicher nicht, wir können uns aber fragen, welche Art von Zukunft wollen wir und das ist eben keine Frage der Faktenlage. Sondern eine politische und weltanschauliche. Das Argument, ein Verbot von Glyphosat führt möglicherweise zu einem Revival von viel bedenklicheren Mitteln, finde ich wichtig. Aber möglicherweise passiert auch etwas anderes und unser Bewusstsein für Lebensmittel, deren Produktion und deren Preis, verändert sich Stück für Stück hin zu einer echten Wertschätzung von lebendigen Produkten.
Über eine Sache müssen wir aber nicht streiten: Wenn die derzeitige Faktenlage beispielsweise eine karzinogene Wirkung verneint, dann kann man das nicht "esoterisch" wegwünschen. Aber das ist ja eh nicht mein Argument gegen Glyphosat, sondern das, was es mit der Region, in der ich lebe, macht.
Markus
Gießen statt Genießen!
Re: Frage zu Glyphosat
MarkusG hat geschrieben: ↑19. Jul 2017, 16:23
Du schreibst an einer Stelle: "Wir können uns doch nur an das halten, was wir wissen.."
Das erscheint klarer, als es in der Realität ist. Ich beispielsweise "weiß", dass die heutige Verwendung von Glyphosat die Artenvielfalt bedroht.
Mittelbar. Tatsächlich bedroht nicht Glyphosat die Artenvielfalt, sondern die moderne Landwirtschaft mit ihrer Produktionsweise.
Deshalb ist Glyphosat der Sack.
Ich halte übrigens diese derzeitige Verengung des Blickwinkels auf Glyphosat als Schuldigen für kontraproduktiv, ja für fatal. Sie verstellt oder verzerrt den Blick auf die tatsächlichen Ursachen und verhindert jede zielgerichtete Diskussion.
Ganz ähnlich wie bei grüner Gentechnik.
Schuld an dieser Verzerrung tragen diverse Umweltschutzorganisationen. Sie erweisen dem Naturschutz damit einen Bärendienst.
Re: Frage zu Glyphosat
MarkusG hat geschrieben: ↑19. Jul 2017, 16:23Ich beispielsweise "weiß", dass die heutige Verwendung von Glyphosat die Artenvielfalt bedroht.
Das ist falsch. Glyphosat wird dort eingesetzt, wo ein Bewuchs nicht erwünscht ist. Glyphosateinsatz ist sehr billig. Der Bewuchs würde in fast jedem Fall auch ohne Glyphosat beseitigt werden.
„Am Ende entscheidet die Wirklichkeit.“ Robert Habeck
Re: Frage zu Glyphosat
MarkusG hat geschrieben: ↑19. Jul 2017, 16:23
Ich weiß nicht, wie die Regionen aussehen, in denen Ihr lebt. Vielleicht sind es noch blühende Landschaften (dies ist keine Anspielung auf einen kürzlich Verstorbenen). Bei uns ist Wüste. Nichts! Graswege, Weinberge und Felder. Naturstauden: so gut wie nichts! Allein die Abnahme an Tagfaltern in den letzten 10 Jahren ist erschreckend.
Die Oberrheinebene: Maisäcker, Erdbeer- und Spargelfelder, Gewerbegebiete. Zum Teil kilometerweit kein größerer Baum mehr, Maisacker grenzt ohne Feldrainstreifen an Spargelfeld.
Vorbergzone: Da sieht's etwas besser, da etwas kleinräumiger und abwechslungsreicher. Aber auch da nimmt die Vielfalt ab. Einstmals freie Flächen verbuschen, weil sie niemand mehr pflegt, Streuobstwiesen verschwinden oder werden im Wiesenbereich aufgedüngt.
Weiter oben im Schwarzwald: Immer mehr sattgrüne Wiesen, wie Golfrasen, im Frühling ein einziges leuchtendes Löwenzahngelb. Postkartenfarbe, dank reicher Güllegaben. Ökologisch fast wertlos.
Aber all das ändert sich nicht, wenn es kein Glyphosat mehr gibt.
Re: Frage zu Glyphosat
bristlecone, Dein Argument:
"Mittelbar. Tatsächlich bedroht nicht Glyphosat die Artenvielfalt, sondern die moderne Landwirtschaft mit ihrer Produktionsweise.
Deshalb ist Glyphosat der Sack."
habe ich ja verstanden, deshalb schreibe ich von der "Verwendung von Glyphosat".
und zu Staudo: Ich denke, dass kaum ein mechanisches Verfahren so effektiv ist wie Glyphosat. Dadurch hat sich aber die Einstellung zum Acker bei den Bauern verändert. Sozusagen die Ästhetik. Ein fast völlig beikrautfreies Feld ist heute möglich, also ist es wünschenswert. Der Acker soll "sauber" sein. Und er wird sauber gemacht und der Rand noch dazu und wenn es sein muss, auch noch der Grasweg.
Meine Hoffnung (nicht mein Wissen) ist es, dass ein Verbot von Glyphosat von einigen Beteiligten in der Agrarindustrie als Zeichen erkannt wird, dass es in Zukunft immer wichtiger werden wird, die Auswirkungen der Landwirtschaft auf unsere Natur mit einzukalkulieren. Einige werden sicherlich sofort wieder weiterbrauen und sehr viel schlimmeres Zeug einsetzen, aber andere werden vielleicht erkennen, dass es Zeit ist, komplett umzudenken.
Ich weiß aber, dass diese Hoffnung vielleicht trügerisch ist und alles nur noch viel schlimmer werden könnte. Das muss ich leider zugeben. ;)
"Mittelbar. Tatsächlich bedroht nicht Glyphosat die Artenvielfalt, sondern die moderne Landwirtschaft mit ihrer Produktionsweise.
Deshalb ist Glyphosat der Sack."
habe ich ja verstanden, deshalb schreibe ich von der "Verwendung von Glyphosat".
und zu Staudo: Ich denke, dass kaum ein mechanisches Verfahren so effektiv ist wie Glyphosat. Dadurch hat sich aber die Einstellung zum Acker bei den Bauern verändert. Sozusagen die Ästhetik. Ein fast völlig beikrautfreies Feld ist heute möglich, also ist es wünschenswert. Der Acker soll "sauber" sein. Und er wird sauber gemacht und der Rand noch dazu und wenn es sein muss, auch noch der Grasweg.
Meine Hoffnung (nicht mein Wissen) ist es, dass ein Verbot von Glyphosat von einigen Beteiligten in der Agrarindustrie als Zeichen erkannt wird, dass es in Zukunft immer wichtiger werden wird, die Auswirkungen der Landwirtschaft auf unsere Natur mit einzukalkulieren. Einige werden sicherlich sofort wieder weiterbrauen und sehr viel schlimmeres Zeug einsetzen, aber andere werden vielleicht erkennen, dass es Zeit ist, komplett umzudenken.
Ich weiß aber, dass diese Hoffnung vielleicht trügerisch ist und alles nur noch viel schlimmer werden könnte. Das muss ich leider zugeben. ;)
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- Region: märkische streusandbüchse/lüneburger heide
- Bodenart: sandiger hortisol/podsol
- Winterhärtezone: 7a: -17,7 °C bis -15,0 °C
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berlin|7a|42 uelzen|7a|70
Re: Frage zu Glyphosat
komplett umdenken? und wer ernährt die existierenden menschen, zumal zu den beliebten discounterpreisen? zurück zu der naturnahen lebensweise (und bevölkerungsdichte) zu zeiten der jägi und sammli, dank glyphosatverbot?
pro luto esse
moin
"(…) die abstrakten worte, deren sich doch die zunge naturgemäß bedienen muß, um irgend welches urteil an den tag zu geben, zerfielen mir im munde wie modrige pilze." hugo von hofmannsthal – der brief des lord chandos
moin
"(…) die abstrakten worte, deren sich doch die zunge naturgemäß bedienen muß, um irgend welches urteil an den tag zu geben, zerfielen mir im munde wie modrige pilze." hugo von hofmannsthal – der brief des lord chandos
Re: Frage zu Glyphosat
@MarkusG
Absatz an Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland (2012) (pdf)
Demnach wurden 2012 knapp 20.000 to Herbizide in Deutschland abgegeben. Davon entfallen 30 % auf "Organophosphor-Herbizide", davon fast alles Glyphosat (neben ein wenig Glufosinat).
Damit macht zwar Glyphosat den am meisten verwendeten Einzelstoff aus, aber insgesamt eben doch nur knapp ein Drittel.
Die nächstgrößere Gruppe sind mit über 20 % die Amide und Anilide.
Mit einem Verbot von Glyphosat würden zumindest bei einem erheblicher Teil der Anwendung andere Herbizide eingesetzt.
Ich bezweifle, dass ein Verbot von Glyphosat als "Weckruf" taugt.
Absatz an Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland (2012) (pdf)
Demnach wurden 2012 knapp 20.000 to Herbizide in Deutschland abgegeben. Davon entfallen 30 % auf "Organophosphor-Herbizide", davon fast alles Glyphosat (neben ein wenig Glufosinat).
Damit macht zwar Glyphosat den am meisten verwendeten Einzelstoff aus, aber insgesamt eben doch nur knapp ein Drittel.
Die nächstgrößere Gruppe sind mit über 20 % die Amide und Anilide.
Mit einem Verbot von Glyphosat würden zumindest bei einem erheblicher Teil der Anwendung andere Herbizide eingesetzt.
Ich bezweifle, dass ein Verbot von Glyphosat als "Weckruf" taugt.
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Re: Frage zu Glyphosat
In der bild der wissenschaft vom Juni 2017 gibt es einen sehr interessanten Artikel "Die besseren Argumente - Wie man jemanden überzeugt - trotz festgefahrener Argumente", der ein Phänomen beschreibt, das mir sowohl bei der Klimadiskussion als auch hier beim Glyphosat auffiel, der "Backfire-Effekt": Je mehr jemand versucht, einen anderen von einer Sache zu überzeugen, desto mehr beharrt der auf seiner Meinung.
Und genau die dort beschriebenen "Fehler" bei der Überzeugungsarbeit hab ich bei der Klimadiskussion gesehen, wie auch hier.
Mit diesem psychologischen Effekt sollten sich alle Experten mal beschäftigen, ja, es wäre wohl nicht schlecht, angehenden Wissenschaftlern Rhetorik als Nebenfach mit auf den Weg zu geben.
Und genau die dort beschriebenen "Fehler" bei der Überzeugungsarbeit hab ich bei der Klimadiskussion gesehen, wie auch hier.
Mit diesem psychologischen Effekt sollten sich alle Experten mal beschäftigen, ja, es wäre wohl nicht schlecht, angehenden Wissenschaftlern Rhetorik als Nebenfach mit auf den Weg zu geben.
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Erich Kästner, (1933/46), Ein alter Mann geht vorüber
“Frei zu sein bedeutet nicht nur seine eigenen Ketten abzulegen, sondern sein Leben so respektvoll zu leben, dass es die Freiheit anderer steigert.“ Nelson Mandela
Erich Kästner, (1933/46), Ein alter Mann geht vorüber
“Frei zu sein bedeutet nicht nur seine eigenen Ketten abzulegen, sondern sein Leben so respektvoll zu leben, dass es die Freiheit anderer steigert.“ Nelson Mandela